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Was hat denn Nigeria mit uns zu tun?

Renate Ellmenreich zu Gast am GMB

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Zeitzeugengespräch
Konflikte und Intoleranz zwischen Muslimen und Christen gibt es an vielen Orten dieser Welt. Auch in Nigeria. Die Medien vermitteln uns seit Jahren eine steigende Aggressivität, Gewalttätigkeit, ethnische Diskriminierung, Morden und Zerstörung von Siedlungen. Für viel Verständnis für die Lage besonders im Nordosten Nigerias warb Frau Renate Ellmenreich, die 50 Grundschulen in diesem Gebiet gegründet hat und die Mentalität der Einwohner von der Basis aus kennt.

Ihr Einsatz galt besonders den von der Gesellschaft benachteiligten Menschen wie Kinder und Frauen, die ein sehr hartes Leben führen, damit die Familien überleben können. So brachte sie nicht nur Kindern das Lesen, Rechnen und Schreiben bei, sondern auch den Frauen, die dann, wenn deren Kinder erwachsen sind, auch mal „etwas für sich tun dürfen“ und dann in die Schulen kommen, um dem Geheimnis nach den Buchstaben und Zahlen auf die Spur zu kommen. Mit den Fertigkeiten, die sie in den Schulen lernen, beziehen sie ein weit geachtetere Position in der Gesellschaft und schaffen es in einer männerdominierten Umgebung etwa einen Straßenimbiss zu eröffnen. Auf ganz kleinen Wegen werden Frauen so selbstständiger und können so mit ihren Fähigkeiten in gesellschaftliche Bereiche vordringen, die ihnen bislang verwehrt waren.

Dieses ganze Programm der Bildung vom Kind bis zum Erwachsenen wurde Frau Ellmenreich und ihrem Mann für fünf Jahre von der Baseler Mission gewährt und hat das Ziel durch die Alphabetisierung die Menschen lebenstüchtiger und selbstständiger zu machen, denn wer lesen und schreiben kann, der vermag sich ganz anders zu melden als jemand, der sich nicht auf diese Weise einbringen kann. Mit der Gruppe um Boko Haram wurde dieses Bildungsprogramm weitestgehend zerstört. Boko Haram ist eine Bezeichnung aus der Sprache der Hausa und bedeutet so viel wie: „westliche Bildung ist Sünde“, „Bücher sind Sünde“. Der Name steht für ein Gegenprogramm gegen die Bestrebungen der ländlichen Gemeinden im Nordosten Nigerias nach Entwicklung und Bildung, wo 1999 gegen den Willen der Christen die Scharia als Rechtsgrundlage eingeführt wurde. Boko Haram will, dass die Scharia in ganz Nigeria zur obersten Rechtsnorm erhoben wird. Er kämpft bis unter die Zähne bewaffnet für eine radikalislamische Auslegung des Koran. Nach dieser Terrorgruppe sollen Kinder nur noch in Koranschulen gehen und dort das religiöse Gesetz lernen. Da die meisten Lehrer Christen waren, als die Scharia eingeführt wurde, wurden diese Lehrkräfte arbeitslos und Christen verweigerten den Besuch der Koranschulen.

So wurde auf der untersten Ebene der Bildung, nämlich im Grundschulalter, der Konflikt zwischen Muslimen und Christen geschürt, der heute in einer blutigen Schlacht mit vielen traumatisierten Kindern und Müttern ausgeartet ist. Da werden Männer vor den Kindern und Frauen grausam ermordet, letztere vertrieben, sodann die Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, so dass die Halbwaisen und Witwen keine Lebensgrundlage mehr haben. In Bildern konnten wir die Entwicklung des Alphabetisierungsprogramms verfolgen und am Ende sahen wir Ruinen als Ausgeburt einer fanatischen Ideologie, die weltweit immer mehr Feuer fängt. Auch in Deutschland gibt es diese Überzeugungen, wenn etwa 300 Deutsche zur Isis überlaufen, um im Irak das Kalifat mit aufbauen zu helfen und es gibt im Rhein-Main-Gebiet Schulen, deren Schüler sich der Anschauung der Salafisten anschließen. Insofern beginnt dieser Konflikt vor der Haustür und Nigeria hat etwas mit uns zu tun.

Geschrieben von:
Rüdiger Jarzina
Geschrieben am:
Kategorien:
Religion Oberstufe