Direkt zum Inhalt

Comic Relief beim Aufstieg zur Höheren Bildung

Neue Wandmalerei im M-Bau

Image
Wandmalerei im M-Bau
Wandmalerei ist seit jeher integraler Bestandteil von Architektur und ihr Bildprogramm zeigt immer den Geist, der in einem Haus herrschen soll. Das neue Mural im Treppenhaus des M-Baus ist von Leon Krause, Abiturient des Kunst-LKs 2021 erdacht und von ihm und fünf Abiturienten des LKs ausgeführt, um die nachfolgenden Generationen zu beflügeln und zu erfreuen. Dabei zeigen sie der Schulgemeinde wie eine eigene Gestaltung und Bildaussage auf der Grundlage der künstlerischen Tradition gelingen kann:

Das Treppenhaus ist neben seiner praktischen Funktion als Weg zwischen den Stockwerken historisch ein wichtiger Ort des höfischen Zeremoniells gewesen. Höhe und Länge der Treppenstufen mäßigen den Besucher oder lassen ihn förmlich hinaufschweben, das Bildprogramm zeigt im Absolutismus die Apotheose des Herrschers, seine körperliche Aufnahme in den Himmel und verweist den Besucher damit auf seinen Platz.

Das Bauhaus schuf 1923 in Weimar das demokratische Gegenbild: abstrahierte, transparente, freundlich runde Figuren schweben und erkunden gemeinsam den Raum und das neue Miteinander. Das Treppenhaus wird nun Ort der gleichberechtigten Begegnung von Individuen, was die Grundlage einer demokratischen Gesellschaft bildet.

In der Abgrenzung von der nationalsozialistischen Kunst und dem sozialistischen Realismus des Ostblocks hat die Kunst der westlichen Demokratien in ihrem Streben nach Repräsentation des Individuums neben der Abstraktion die drei Codierungen Deformation, surrealistische Rekombination und fotografische Dokumentation für die Darstellung des Menschen kunstwürdig gemacht. Alle drei Abbildungsarten sind jedoch wenig für die Erzeugung der angestrebten positiven Bildaussage für das Wandbild in der Schule geeignet.

Die uramerikanische Kunstform des Comics dagegen ermöglicht eine positive Erzählung und Keith Haring wurde zum Schöpfer einer idealisierten demokratischen Figuration– daher sind seine Figuren so beliebt und wirklich jeder kennt sie.

Sie kombinieren die Bauhaus-Figurinen mit dem Rhythmus und der Erzählfreude von Comics, sie sind jedoch noch proportionaler und runder, die unterschiedlichen Farben kennzeichnen die Figuren als Individuen. Durch ihre gemeinsame Bewegung stehen sie perfekt für die Kraft der menschlichen Begegnung und Gemeinschaft und idealisieren so das Überindividuelle.

So uneingeschränkt positiv wie die Möglichkeit der Gestaltung mit den Haring-Figuren ist, verwendet Leon Krause sie jedoch nicht für seinen Entwurf. Die Anziehungskraft der Dystopie - auf Netflix allgegenwärtig und auch im Unterricht immer wieder thematisiert- wird scheinbar harmlos verpackt, das Groteske und das Grauen gehören zum Leben und zum Comic dazu. Hier zitiert Leon Krause Harings Rekurs auf Ensor, das Skelett und die Sonnenblume. Er setzt sie auch nicht wie Haring in ein Allover, sondern geht auf seine manieristischen Vorbilder zurück, indem er der Bildraum weitet und vage belässt. Die Figuren sind allein, sie steigen hinauf und gleiten hinunter, Teufelchen und Heiligenschein, das Reiten auf dem Tier, da ist Bosch nicht mehr weit. Die Figuren schweben, ihre Stillstellung und Nacktheit sind wie bei Michelangelos Jüngstem Gericht. Es ist ein Inselbild flutend auf der Wand, ergänzt durch klassische Schraffuren – auch hier die formalen Grundformeln des Grotesken.

Das Ufo ist jetzt das höhere Wesen und an dem Wochenende, an dem das Wandbild gemalt wurde, veröffentlichte das Pentagon den Bericht, das 143 der 144 untersuchten ungewöhnlichen Himmelsphänomene nicht zu erklären seien. Die amerikanischen Mythen sind heute ebenso wirkmächtig wie die Formen der alten Kunst. So gilt es heute wie schon immer, die richtige Wahl der Mittel zu treffen.

Gwendolyn Siercke-Tiefel

Geschrieben von:
Rüdiger Jarzina
Geschrieben am:
Kategorien:
Oberstufe Kunst
Image
Image