„Versuchte Republikflucht“
Nach einem gescheiterten Fluchtversuch, der sie und ihre Familie über Rumänien und Jugoslawien in die BRD führen sollte, wurde Frau Fleck von ihren Töchtern getrennt und festgenommen. Eindrucksvoll schilderte sie uns die Reise nach Rumänien und die Geschehnisse vor Ort. Sie las uns Passagen aus dem Buch „Jutta Gallus: Die Frau vom Checkpoint Charlie (Der verzweifelte Kampf einer Mutter um ihre Töchter)“ von Ines Veith vor, in dem ihr Leben verewigt wurde und fügte immer wieder Erinnerungen aus dieser Zeit hinzu. Dies machte ihren Vortrag sehr zugänglich.
So stellten wir uns zum Beispiel die brenzlige Situation in Rumänien vor, als die Familie ein Ausreisevisum für die BRD beantragen wollte und sich schließlich herausstellte, dass ihr Fluchtversuch aufgeflogen war. Wir fühlten mit, als Frau Fleck uns von der schmerzlichen Trennung von ihren Kindern nach der Landung des Interflug-Sonderflugs in die DDR erzählte.
Gefängnishaft in Hoheneck
Die Töchter Claudia und Beate – damals um die 10 Jahre alt – wurden für kurze Zeit in ein Kinderheim bei Meißen gebracht und hinterher dem leiblichen Vater, einem treuen DDR-Bürger, der von Frau Fleck schon seit längerem geschieden war, in Dresden übergeben. Frau Fleck wurde wegen eines „schweren Falles von Republikflucht“ zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Doch noch vor Haftende wurden sie und ihr damaliger Lebensgefährte von der BRD freigekauft. Zusammen zogen sie nach Gießen.
Kampf um die Kinder
Claudia und Beate wurden allerdings in der DDR festgehalten. Wir staunten, was Frau Fleck alles unternahm, um ihre Töchter zu sich zu holen. Ob Hungerstreik, ein Besuch bei Papst Johannes Paul II., ein Gespräch mit dem damaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher in Helsinki oder eben die legendäre Protestaktion am Checkpoint Charlie, bei der sie am berühmten Grenzübergang mitten in Berlin mit einem großen Schild demonstrierte, auf dem u.a. „Freiheit für die Kinder Beate + Claudia Gallus...!“ stand, Frau Fleck setzte alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel ein, um ihre geliebten Töchter wieder bei sich haben zu können. 1988 wurden die beiden schließlich in die BRD gebracht.
Starke Mutter – starke Töchter
Später schauten wir uns eine Dokumentation zu ihrer Biographie an, in der alles Erzählte noch einmal verbildlicht wurde. So sahen wir Claudia und Beate, die stolz von den Unternehmungen ihrer Mutter erzählten.
Trotz der Zeit in einem DDR-Kinderheim und beim DDR-loyalen Vater, verloren die Töchter nie den Wunsch, wieder bei ihrer Mutter zu leben. Im Dokumentarfilm sagte Claudia: „Erst nachdem ich die DDR verließ und wieder bei meiner Mutter lebte, fing ich zu leben an.“ Diese enge Beziehung zwischen Mutter und Töchtern beeindruckte uns sehr.
Insgesamt freuen wir uns darüber, dass wir mit einer Zeitzeugin sprechen durften, da dies den Geschichtsunterricht immens bereichert. Natürlich lesen wir neben wissenschaftlichen Darstellungen auch Quellen oder schauen Dokumentationen, was den Stoff veranschaulicht, aber solch eine Zeitzeugin macht Geschichte richtig lebendig! Wir danken Jutta Fleck, die wir für eine lebenslustige und starke Frau halten, dass sie sich die Zeit genommen hat, uns ihre Geschichte zu erzählen.
Kalina Lenes für den LK Geschichte/Manig
- Geschrieben von:
- Rüdiger Jarzina
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- Kategorien:
- Geschichte