Vortrag zur Geschichte der deutschen Sinti im 20. Jh.

Am heutigen Tag durfte der gesamte zwölfte Jahrgang des Gymnasiums am Mosbacher Berg einen besonderen Gast willkommen heißen: Ricardo Laubinger, Vorsitzender der Sinti-Union Hessen e.V. und Autor des Buches „Und eisig weht der kalte Wind“, besuchte unsere Schule, um über die deutsche Geschichte und die Erfahrungen seiner Sinti-Familie aus Wiesbaden während der NS-Zeit zu sprechen.
In seinem bewegenden Vortrag erzählte Herr Laubinger von den dramatischen Lebens- und Leidenswegen seiner Familie, insbesondere seines Vaters Karl Laubinger und seiner Mutter Bertha Weiss. Als deutsche Sintiza wurde sie im Alter von nur 14 Jahren zusammen mit ihrer gesamten Familie von Hamburg aus nach Polen deportiert und dort in nationalsozialistischen Konzentrationslagern inhaftiert, wo ihr ein kaum vorstellbarer Leidensweg bis zum Ende des Krieges bevorstand, den sie als einzige aus ihrer Familie überlebte. Wie viele andere Sinti- und Roma-Familien erlitte auch die Familie von Herrn Laubinger den tragischen Verlust vieler Angehöriger durch die systematische Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten, die auf einem menschenverachtenden Rassismus beruhte, der bestimmte Menschen als nicht „lebenswert“ einstufte.

Herr Laubinger schilderte eindrucksvoll und berührend, wie diese Erfahrungen ihn geprägt haben und ihn dazu bewegten, sich aktiv für die Rechte und Anerkennung der Sinti und Roma in Deutschland einzusetzen. Als Gründer der Sinti-Union Hessen e.V. engagiert er sich seit Jahrzehnten politisch für seine Minderheit und kämpfte gegen Diskriminierung und Vorurteile. So berichtete Herr Laubinger auch von seinen persönlichen Erfahrungen im Nachkriegsdeutschland, sei es Misshandlung oder Ausgrenzung in der Schule oder der Versuch der Behörden, Entschädigungen für erlittenes NS-Unrecht zu verzögern oder verhindern. Dem mühseligen Kampf um Anerkennung als „rassisch“ Verfolgte und „Wiedergutmachung“ stellte Herr Laubinger das Schicksal einzelner Täter gegenüber, die weitestgehend unbehelligt blieben. Die Einblicke in seine Arbeit als Vertreter auch heutzutage noch diskriminierter Sinti waren ebenfalls beeindruckend.
Wir danken Herrn Laubinger herzlich für seinen spannenden Vortrag und den anschließenden gemeinsamen Austausch. Es war eine wertvolle Erfahrung für unsere Schülerinnen und Schüler, die Geschichte einmal aus einer persönlichen und zutiefst bewegenden Perspektive zu hören und stellte somit einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung und Erinnerungskultur dar. Sein persönlicher Appell an die jungen Menschen, sich für Demokratie und Toleranz selbst zu engagieren, gerade in unserer heutigen Zeit, stieß auf offene Ohren.
Für die finanzielle Unterstützung danken wir der Landeszentrale für politische Bildung, der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie dem Förderverein unserer Schule!
- Geschrieben von:
- Jan Weidauer
- Geschrieben am:
- Kategorien:
- Geschichte